Epidemiologische Krebsregistrierung in Deutschland – Teil 1

Für die Evaluation des Mammographie-Screenings sind die epidemiologischen Angaben zum Auftreten (Inzidenz) von Brustkrebs und das Versterben (Mortalität) daran von großer Bedeutung.

Zum einen ist ein wichtiger Parameter im Mammographie-Screening die Brustkrebsentdeckungsrate. Diese wird an der so genannten Hintergrundinzidenz gemessen, also der Häufigkeit von Brustkrebserkrankungen, die man ohne Mammographie-Screening erwarten würde. Da das Screening in Deutschland flächendeckend eingeführt wurde, ist es schwer, eine belastbare Hintergrundinzidenz zu ermitteln, da es keine beobachtbaren Vergleichsregionen in Deutschland gibt. Zudem existieren regionale Unterschiede in der Inzidenz, so dass der Vergleich mit einer bundesweiten Gesamtinzidenz nicht sinnvoll wäre. Deshalb stellen Werte aus der Zeit unmittelbar vor Einführung des Screenings als Vergleichswert noch die beste Option dar.

Vollzähligkeit der Registerdaten für Evaluation notwendig

Für die Berechnung der Hintergrundinzidenz zieht die Kooperationsgemeinschaft Mammographie – in Abstimmung mit den Experten der Krebsregister – die Inzidenzwerte aus den Jahren 2000 bis 2005 heran. Damit bildet sie regionale Hintergrundinzidenzen. Man verwendet nur Krebsregisterdaten aus den Jahren, in denen die Vollzähligkeit der Registerdaten nach Wertung des Robert Koch-Institutes mindestens 90 % betrug. In den Bundesländern Hessen und Baden-Württemberg konnte keine Hintergrundinzidenz berechnet werden, da dort bei Einführung des Screenings noch kein voll funktionsfähiges Krebsregister existierte. Dafür nimmt man ersatzweise eine überregionale Inzidenz als Vergleichswert.

Auf der anderen Seite wertet die Kooperationsgemeinschaft Mammographie auch die Gesamtinzidenz und Stadienverteilung in der Zielgruppe kontinuierlich aus, um die Effekte des Screenings einzuschätzen. So ist beispielsweise zu erwarten, dass die Inzidenz bei Einführung eines Früherkennungsprogramms in der Zielgruppe zunächst ansteigt – da kleinere Tumoren jetzt früher erkannt werden – später aber wieder absinken. Ebenso sollte die Zahl großer, prognostisch ungünstiger Karzinome dauerhaft sinken.

Die folgende Grafik aus dem Evaluationsbericht 2005-2012 zeigt anhand der längsschnittlichen Beobachtung der Inzidenz die regionalen Unterschiede und das sukzessive Schließen der Erfassungslücken.

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Abbildung 6: Bundeskrebsinzidenz in den Bundesländern in den Jahren 2005, 2009 und 2011. Dargestellt ist die Anzahl der Neuerkrankungen ohne In-situ-Karzinome je 100.000 Anspruchsberechtigte pro Bundes- land. DCO-Fälle sind ausgeschlossen. Grundlage sind die Daten der Krebsregister ab dem ersten Jahr der vollzähligen Erfassung (Tabelle 3). Quelle: Evaluationsbericht 2005-2012

Berichterstellung dauert bis zu zwei Jahre Ärztinnen und Ärzte im Mammographie-Screening erfassen zu jedem entdeckten Karzinom auch noch Angaben zur Größe und dem Fortschreiten des Tumors. Vor allem der Befall der regionären Lymphknoten und das Vorhandensein von Metastasen sind wichtige Indikatoren für Behandlungsoptionen und Überlebenschancen. Einige dieser Parameter kann man erst nach der operativen Behandlung sicher einschätzen., Dies kann je nach Therapieverlauf einige Monate dauern. Aus diesem Grund dauert es bis zu zwei Jahre, bis der Jahresbericht Evaluation der Kooperationsgemeinschaft Mammographie vorliegt.

Aufgabe der epidemiologischen Krebsregister

Die Tumordaten müssen die Ärzte auch an das zuständige epidemiologische Krebsregister melden. Dieses erhebt, speichert, verarbeitet, analysiert und interpretiert die Daten über das Auftreten und die Häufigkeit aller Krebserkrankungen. Die umfassenden Daten sind unverzichtbar für Studien, um die Ursachen für die Krebsentstehung zu ergründen – aber auch um die Ergebnisse von Früherkennung und Tumorversorgung beurteilen zu können. Für bundesweite Auswertungen laufen die Daten im Zentrum für Krebs-Register-Daten (ZfKD) im RKI zusammen Das Ergebnis ist ein entsprechend vollständiges Bild über die Krebserkrankungen in Deutschland. Die Krebsregister führen mit ihren Daten zudem auch eigene regionale Analysen durch.

Systematische Erfassung auf Grundlage von Ländergesetzen

Seit 2009 werden in ganz Deutschland flächendeckend alle neu auftretenden Krebserkrankungen systematisch auf Basis eigener Ländergesetze erfasst. Daher hat in der Regel jedes Bundesland sein eigenes epidemiologisches Krebsregister.

Einzige Ausnahme ist das gemeinsame Krebsregister der neuen Bundesländer, welches aus dem nationalen Krebsregister der ehemaligen DDR hervorging: Um die Erfassungsstrukturen dieses Krebsregisters zu erhalten, dessen Daten bis auf das Jahr 1989 zurückgehen, wurde zwischen den neuen Bundesländern ein entsprechender Staatsvertrag geschlossen.

Die Ländergesetze legen unter anderem fest, wer Erkrankungen meldet und wie die Meldungen erfolgen. Dabei gibt es unterschiedliche Ansätze. In einigen Ländern müssen nur die Pathologen melden, in anderen alle Ärzte, die von einer Krebsdiagnose Kenntnis haben. Einige Gesetze sehen ein Melderecht, andere eine Meldepflicht vor, entweder mit vorheriger Einwilligung des Patienten oder nachträglichem Widerspruchsrecht.

Lücken in der bundesweiten Krebsregistrierung geschlossen

Aufgrund der unterschiedlichen gesetzlichen Bestimmungen und den Unterschieden in Beginn und Dauer des Aufbaus der Landeskrebsregister gab es vor einigen Jahren noch starke regionale Unterschiede in Vollzähligkeit und Vollständigkeit der gemeldeten Erkrankungen. Das Robert Koch-Institut führt daher regelmäßig statistische Berechnungen durch, welche die Vollzähligkeit der Meldungen in den jeweiligen Krebsregistern ermitteln. Diese Auswertungen zeigen, dass sich die Lücken in der bundesweiten Krebsregistrierung in den letzten zehn Jahren durch den Auf- und Ausbau funktionierender epidemiologischer Krebsregister systematisch geschlossen haben. Als letztes ging das epidemiologische Krebsregister Baden-Württemberg auf Basis des neuen Landeskrebsregistergesetzes von 2009 an den Start.

Bericht des Robert Koch-Institutes zum Krebsgeschehen in Deutschland

Der aktuelle „Bericht zum Krebsgeschehen in Deutschland 2016“ gibt erst­mals eine Über­sicht zu allen wich­ti­gen Aspekten des Krank­heits­ge­schehens in Deutsch­land, den Fort­schritten bei der Be­kämp­fung und den Pers­pek­tiven. Der Be­richt be­leuch­tet wich­tige Aspekte: Zah­len und Fakten zur Häufig­keit von Krebs­er­kran­kungen, zu Pa­tien­ten­ver­sor­gung, Prä­ven­tion, Früh­er­ken­nung und For­schungs­be­darf.

Der vom Robert Koch-Institut er­stellte Be­richt wird ent­sprechend einer Vor­gabe im Bundes­krebs­register­daten­gesetz zukünftig alle fünf Jahre erscheinen.

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Datenschutz im Mammographie-Screening – Einladungswesen

In Deutschland werden Frauen ab 50 Jahren alle zwei Jahre zur Untersuchung im Mammographie-Screening-Programm eingeladen. Im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen werden hierfür Daten der Einwohnermeldeämter verwendet. Der Schutz der persönlichen Daten hat dabei oberste Priorität. Auch viele der eingeladenen Frauen sind für das Thema Datenschutz sensibilisiert.

Woher beziehen die einladenden Stellen die Daten und auf welcher rechtlichen Grundlage?

Das Mammographie-Screening ist ein bevölkerungsbezogenes Programm zur Brustkrebs-Früherkennung. Alle Frauen in der entsprechenden Altersgruppe (50-69 Jahre) sollen unabhängig von ihrer jeweiligen Krankenversicherung regelmäßig alle zwei Jahre mit einem vorgeschlagenen Termin eingeladen werden. Hierfür ist die Einführung eines Einladungswesens mit zentralem Terminmanagement erforderlich.

Zu diesem Zweck wurden die so genannten Zentralen Stellen eingerichtet. Dies sind unabhängige Stellen, die in der Regel auf Landesebene durch die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Landesverbände der Krankenkassen finanziert und betrieben werden. Für die Durchführung des Einladungswesens werden den Zentralen Stellen regelmäßig die Meldedaten aller Frauen zwischen 50 und 69 Jahren von den Meldeämtern der Region auf Basis der Landes- und Bundesmeldegesetze übermittelt.

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Qualitätssicherung und elektronische Dokumentation

Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement gewinnen in der medizinischen Versorgung immer mehr an Bedeutung. Beständig steigt die Zahl der Qualitätsvereinbarungen, die Krankenhäusern oder niedergelassenen Ärzten die Einhaltung bestimmter Normen und Qualitätsstandards abverlangen. Zu diesem Zweck müssen zahlreiche Statistiken geführt und Leistungs- und Qualitätsindikatoren erhoben, gemessen und verglichen werden. Bei der Entwicklung entsprechender Dokumentationssysteme zu Qualitätssicherungszwecken gibt es einiges zu beachten, wie die Erfahrungen im Mammographie-Screening gezeigt haben.

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